InsureTechs und etablierte digitale Player werden das Versicherungsgeschäft nachhaltig verändern. Speziell in der Gewerbeversicherung bedeuten sie Konkurrenz, weil sie Kundenschnittstellen besser besetzen können. Doch die belebt ja bekanntlich das Geschäft. Oder?
Trotz Konkurrenz durch InsureTechs und Co. halten es zwei Drittel der Vorstände und Führungskräfte in der Versicherungsbranche für unwahrscheinlich, dass internationale Plattformen wie Amazon oder Tech-Giganten bis Ende 2021 signifikant im deutschen Versicherungsmarkt mitmischen werden – weder aktiv noch über Beteiligungen. So zumindest lautet das Ergebnis der letzten Umfrage im Rahmen des EY Innovative Versicherungs-Roundtables, der Ende 2019 stattgefunden hat. Mit einer Ausnahme: Die Gewerbeversicherung.
Branche im Umbruch
Die Welt ist im Umbruch und nimmt sämtliche Märkte mit. Die Digitalisierung steht nicht mehr nur „vor der Tür“. Sie ist längst eingezogen. Manche Industrien und Branchen geben sich dennoch von diesem „Überraschungsbesuch“ überrumpelt, dabei kam die Digitalisierung mit ihren neuen Technologien nicht unangekündigt. Wenngleich schneller als vielleicht vermutet. Aber so ist das nun einmal mit technischen Entwicklungen in unseren Zeiten.
Auch das Geschäftsumfeld der Gewerbeversicherung sieht sich mit veränderten Rahmenbedingungen konfrontiert: Von der Konkurrenz durch InsurTechs, vor allem für Makler, über strategische Wachstumschancen und die steigende Bedeutung der digitalen Beratung. Aktuell betrachten mehr als 71 Prozent der befragten Versicherer InsurTechs im Gewerbegeschäft als Konkurrenz, primär übrigens für die Makler. Bis Ende 2021, das ergab die Umfrage unter 80 Vorständen und Fürungskräften der Versicherungsindustrie (EY Innovalue versicheurngs-Roundtable), sehen sie InsurTechs im Gewerbesegment
· zu 40 Prozent als Wettbewerber mit Maklermandat,
· zu 23 Prozent als Wettbewerb in der Rolle eines Assekuradeurs und
· zu 9 Prozent als Wettbewerber mit Zulassung als Versicherer.
Dennoch haben über zwei Fünftel der Befragten im Jahr 2019 keine oder aus eigener Sicht nur unzureichende Digitalisierungsinitiativen umgesetzt. Damit vergeben sie allerdings die Chance auf neue Geschäftsmodelle, Arbeitsweisen und Vertriebswege. Immerhin sieht sich rund ein Drittel in diesem Zusammenhang schon deutlich besser aufgestellt als im Vorjahr, jeder fünfte Versicherer hat seine eigenen Erwartungen in puncto Digitalisierungsoffensive sogar übertroffen.
Chance Gewerbegeschäft
Unstrittig ist laut zitierter Umfrage das strategische Potenzial, das die Gewerbeversicherung hinsichtlich der neuen Rahmenbedingungen bietet. Ganz gleich ob digital oder analog: Die Mehrheit ist generell davon überzeugt, dass das Gewerbesegment mit seinem individuellen Absicherungsbedarf DAS strategische Wachstumsfeld (57,7 Prozent) der Branche ist, zumindest aber eher Potenziale bietet (30,8 Prozent). Gleiches gilt für den digitalen Abschluss im standardisierten Gewerbeversicherungsgeschäft, lediglich 15 Prozent rechnen hier kaum mit der Chance auf Wachstum.
„Aufgrund verschiedener Einflussfaktoren, wie beispielsweise des anhaltenden Drucks auf die Lebensversicherung, ist das Kompositgeschäft insgesamt hart umkämpft. Neben den Standard-Privatkundenprodukten haben die meisten Versicherer zumindest das standardisierbare Gewerbegeschäft auf ihrer Wachstums-Agenda”, sagt Julia Palte, Partner bei EY Innovalue.
Geht es nach Palte, werden sich all jene durchsetzen können, die neben dem Vertriebszugang und wettbewerbsfähigen Konzepten vor allem über effiziente und digitale Prozesse verfügen. Da effiziente Prozesse und die zu Grunde liegenden Technologien nebst erforderlicher Schnittstellen aktuell allerdings häufig einer Großbaustelle gleichen, werden die Unternehmen gerade in diesem Bereich Kooperationsansätze mit potenzialstarken InsurTechs prüfen.Tatsächlich halten etwa zwei Fünftel der Befragten strategische Partnerschaften für das erfolgversprechendste Kooperationsmodell, knapp über ein Drittel wiederum bevorzugt eine selektive Zusammenarbeit. So oder so – statt Verdrängungsszenarien bestimmen vorrangig Kooperationen das Verhältnis zwischen etablierten Versicherern und InsurTechs. Beteiligungen mit Wagniskapital oder die Mitwirkung an Innovationsinitiativen wie dem InsurLab halten allerdings nur rund 15 Prozent bzw. rund 9 Prozent der befragten Versicherer für erfolgversprechend.
Chance digitale Beratung
Auch die digitale Beratung in der Gewerbeversicherung – das hat eine ergänzende Gewerbe-Studie 2019 des EY Innovalue Versicherungs-Roundtables ergeben – wird spürbar relevanter. Demnach, so das Ergebnis, hätten sich die auf Basis beziehungsweise unter Zuhilfenahme digitaler Medien durchgeführten Beratungen haben sich innerhalb eines Jahres auf 28 Prozent mehr als verdoppelt. „Die Marktveränderungen betreffen die gesamte Customer Journey von der Information bis zum Abschluss“, sagt Palte. EY Innovalue hatte für die Studie „Digitalisierung Gewerbe“ 2019 rund 500 Gewerbekunden unterschiedlicher Branchen befragt.
Herausforderung angenommen?
„Zunehmender Wettbewerb durch internationale Tech-Giganten und ausgewählte InsurTechs in Verbindung mit unzureichenden eigenen Digitalstrategien sind weiterhin die größten Herausforderungen der Versicherungsbranche“, kommentiert Christian Mylius, Partner und Managing Director bei EY Innovalue. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten sich Player schnellstmöglich noch kundenzentrierter aufstellen und Kundenbedürfnisse in Vertriebs-, Produkt- oder Pricingstrategie erfüllen. Und etwas mehr Innovationsfreude ist sicher auch nicht von Nachteil. Challenge? Bitte akzeptieren.